Arthrose beim Hund                                    

Stand: 27.12.2023

Die Arthrose ist eine chronisch-degenerative (= fortschreitende, nicht heilbare) Erkrankung, die nicht nur viele Menschen, sondern auch viele Vierbeiner plagt. Doch was genau passiert eigentlich bei einer Arthrose und wie können wir unsere Fellnasen bestmöglich unterstützen? Dieser Artikel soll aufklären und eine Hilfestellung für den Alltag mit einem Arthrosepatienten geben.

 
Inhalt: 

  • Anatomie
  • Was ist Arthrose?
  • Was leistet die Schulmedizin?
  • Wie können wir naturheilkundlich und physiotherapeutisch unterstützen?
  • Was kann der Besitzer tun? 
  • Fazit


Zum besseren Verständnis ein kurzer Ausflug in die Anatomie (Bild hierzu am Ende des Artikels): in einem Gelenk verbinden sich mindestens 2 Knochen miteinander. Je nach Gelenkform, Ausprägung von Bandapparat und Gelenkkapsel sind verschiedene Bewegungsrichtungen und -ausmaße möglich. Im Zusammenspiel mit Muskulatur, Bändern, Nerven und weiteren Hilfseinrichtungen findet hierüber die Bewegung im Körper statt. Hierbei gilt: je besser die das Gelenk umgebende Muskulatur ausgebildet ist, je stabiler ist das Gelenk. Und das merken wir uns schon mal für die spätere Hilfestellung!

Um Stöße und das Reiben der Knochen gegeneinander abzufedern, sind die artikulierenden Knochen mit einer Knorpelschicht überzogen. Knorpel ist jedoch kaum durchblutet (bradytroph), das bedeutet, Nährstoffe zum Erhalt des Knorpels können nicht über die Blutbahn in den Knorpel transportiert werden. Das übernimmt die Synovia, die Gelenkschmiere, die sich innerhalb des Gelenkspalts befindet. Zellen im inneren der Gelenkkapsel produzieren diese visköse Flüssigkeit und hierbei hat sich die Natur einen genialen Mechanismus ausgedacht: mit Hilfe der Bewegung der Gelenke, werden, beim Aufeinandertreffen der Gelenkpartner, die Nährstofffe aus der Synovia in den Knorpel hineingepresst, beim Lösen der Gelenkpartner voneinander füllt sich der Gelenkspalt erneut mit Synovia. Wir merken uns also: für einen gesunden Knorpel ist regelmäßige Bewegung unerlässlich!

 

Was ist nun Arthrose und was passiert im Gelenk? 

Es handelt sich um einen Gelenkverschleiß über das normale Maß hinaus. Wir unterscheiden die primäre Arthrose, die durch minderwertigen Knorpel entsteht, von der sekundären Arthrose, die entstehen kann durch z.B. 

§  Übergewicht

§  Traumatisch bedingte Fehlstellungen

§  Angeborene Dysplasien

§  Folge anderer Erkrankungen, z.B. Arthritis

§  Überlastung mit Ergussbildung

§  Medikamente (Kortison, bestimmte Antibiotika u.a.)

Was passiert? Zunächst kommt es zur Aufrauhung des Knorpels, z.B. durch Überbelastung. Dabei werden kleine Knorpelteilchen abgerieben, die in der Synovia schwimmen. In der Folge werden sogenannte Entzündungsmediatoren freigesetzt, wodurch sich die Zusammensetzung der Synovia und die fadenziehende Konsistenz (ähnlich wie Duschgel) verändert und der Knorpel hierdurch nicht mehr gut ernährt werden kann. Die Funktion als Gleitmittel verschlechtert sich. Dadurch entsteht eine weitere, höhere Abnutzung des Knorpels, wodurch Ulzerationen (Löcher) entstehen. Der Körper versucht nun, durch „minderwertiges“ Granulationsgewebe und Faserknorpel die Ulzerationen auszukleiden (gesunder Knorpel besteht aus hyalinem Knorpel!!) Faserknorpel ist nicht so elastisch und stoßdämpfend wie hyaliner Knorpel. Durch fortlaufende Belastung wird auch dieser Ersatzknorpel abgerieben- bis irgendwann der unter dem Knorpel liegende (subchondrale) Knochen freiliegt. Hierdurch entsteht wiederum eine Entzündung. Der Körper versucht sich zu helfen, indem er die Auflagefläche der Gelenkpartner vergrößert, um die Belastung zu verteilen. Hierbei entstehen die klassischen Knochenzubildungen: Exostosen, Osteophyten und Pommersche Randwülste genannt.

Exkurs: hyaliner Knorpel ist druck- und biegungselastisch und setzt sich aus Chondrozyten und der sie umgebenden extrazellulären Matrix, die aus Kollagen, Hyaloronsäure und Proteoglykanen besteht zusammen. In Verbindung miteinander können sie große Mengen Wasser speichern und verleihen dem Knorpel so seine druck- und stoßdämmende Eigenschaft. Die Ernährung erfolgt, wie oben bereits erwähnt, über Diffusion, da Knorpel keine Blutgefäße hat (bradytroph). Der Knorpel saugt sich bei Be- und Entlastung mit Synovia uns seinen Nährstoffen voll. Bewegt sich das Gelenk nicht mehr, erfolgt auch keine Diffusion und somit Ernährung des Knorpels. Bereits nach 2 Wochen können Schäden am Knorpel entstehen. Also ist bei Arthrosepatienten, aber auch z.B.  nach einer  OP eine frühstmögliche passive Bewegung durch Physiotherapie sehr wichtig.

Schätzungen zufolge ist etwa jeder 5. Hund von Arthrose betroffen. Was können Hinweise auf Arthrose bei meinem Hund sein?

Eine Arthrose kann schlussendlich in eine schmerzhafte und eingeschränkte Gelenkmobilität münden. Nicht selten verläuft die Arthrose jedoch auch schmerzlos.

Hinweise können sein:

· Klassischer Anlaufschmerz nach längerer Ruhezeit, der Hund       läuft sich nach kurzer Zeit ein. Bei längerer Belastung zeigt er wieder Schmerzen (Lahmheit)

· Allgemeine Bewegungsunlust

· Meidet Sprünge ins/aus dem Auto oder vom Sofa

· Der Hund nimmt eine Schonhaltung ein

· Muskelatrophien

Diese Symptome können jedoch auch auf andere Erkrankungen hinweisen, daher ist immer eine ganzheitliche Untersuchung notwendig.

Was leistet die Schulmedizin?

Gabe von nichtsteroidalen, entzündungshemmenden   Medikamenten (NSAID´s), z.B. Metacam. Wirken schmerzstillend und antientzündlich. NSAID´s können Nebenwirkungen, wie Magengeschwüre, verlängerte Blutungszeiten oder eine verminderte Nierendurchblutung verursachen. 

Bei einer Dauergabe von NSAID´s empfehle ich daher, die Leber- und Nierenwerte regelmäßig überprüfen zu lassen.

Gabe von Kortikosteroiden, z.B. Prednisolon. Wirken stärker entzündungshemmend als NSAID´s. Können sich dauerhaft negativ auf die Knorpelstruktur und andere Körpersysteme auswirken und wirken hemmend auf die Nebennierenrinde ein. 

Kortikosteroide sollten nicht gemeinsam mit NSAID´s verwendet werden und nur zum Einsatz kommen, wenn andere Schmerzmittel/Entzündungshemmer nicht wirken. Eine Dauermedikation sollte wegen der hemmenden Wirkung auf die Nebennierenrinden nicht von heute auf morgen abgesetzt, sondern langsam ausgeschlichen werden.

 Gabe von Librela: ein relativ neuartiges Medikament, dass durch die Hemmung des Nervenwachstumfaktor (NGF) arthrosebedingte Schmerzen reduzieren kann. „Wie der Name schon sagt, ist der Nervenwachstumsfaktor für das Wachstum und das Überleben von Neuronen verantwortlich. 

„NGF regt in der Embryonalentwicklung die Aussprossungen von Neuronen an, die chemotaktisch den von Zielstrukturen ausgeschütteten Chemokinen folgen. Er sichert den Fortbestand neuronaler Verbindungen. 

In vivo stabilisiert NGF in erster Linie bereits bestehende Synapsen. Bei Verletzungen des peripheren Nervengewebes bewirkt NGF ein Aussprossen des verletzten Neurons. Für das Überleben von sympathischen und sensiblen Neuronen ist NGF essentiell, da die Neuronen in die Apoptose ( = programmierter Zelltod) eintreten, wenn das Protein fehlt“ (Quelle: DocCheck Flexikon). 

Die Kombination von Librela mit NSAIDs soll, gem. Packungsbeilage nur nach einer Nutzen-Risiko Bewertung und unter enger Überwachung der Therapie durch die Tierärztin/den Tierarzt erfolgen.

Librela ist ein reines Schmerzmittel und wirkt nicht antientzündlich. Herrchen und Frauchen freuen sich, wenn ihr Liebling wieder fröhlich durch die Gegend hüpft- und das ist auch gut so. Aber: Schmerz erfüllt eine wichtige Warnfunktion im Körper und so besteht die Gefahr, dass es zu Überlastung der betrofffenen Gelenke kommt. Also unter Einsatz von Librela bitte trotzdem Vorsicht beim Bewegungsmanagement (siehe: Was kann der Besitzer tun?). 

Vielleicht auch für den ein oder anderen interessant: der Wirkstoff wird rekombinant* in Eierstockzellen des Chinesischen Hamsters (CHO) exprimiert.....

Wie können wir naturheilkundlich und physiotherapeutisch unterstützen?

Gelenkmobilisationen und Massagen: sorgen für eine bessere Durchblutung und regen den Synoviafluss an. Schmerzbotenstoffe können so abtransportiert und das Gelenk besser ernährt werden.

Physiotherapeutische Übungen: durch kontrollierte und schonende Übungen kann die Gelenkbeweglichkeit verbessert, können Muskeln als Korsett zur Stabilisierung des Gelenks aufgebaut und Schmerzen reduziert werden.

Physikalische Therapien: Lasertherapie, Elektrotherapie, Thermo-/Kältetherapie, Magnetfeldtherapie und Blutegeltherapie können schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken.

 Unterwasserlaufband und Schwimmen

Durch den Auftrieb im Wasser wird das Körpergewicht minimiert und Muskulatur und Gelenke entlastet. Der hydrostatische Druck sorgt für eine verbesserte Durchblutung und fördert die Lymphdrainage/Ödembehandlung.

Setzen von Goldimplantaten. Hierbei handelt es sich um eine symptomatische Schmerztherapie. Warum Goldimplantate wirken, wird zzt. noch weiter wissenschaftlich untersucht. Man geht davon aus, dass Gold die Eigenschaft besitzt, den veränderten ph-Wert eines entzündeten Gewebes wieder in seinen physiologischen Neutralwert umzuwandeln. Durch diese Veränderung des ph-Wertes wird den Schmerzbotenstoffen ihre Wirkungsgrundlage entzogen. Das wiederum führt zu einer besseren Durchblutung, so dass „Abbauprodukte“ aus dem Entzündungsprozess besser abtransportiert werden können. Der Schmerz lässt nach.

Nahrungsergänzungen: Grünlippmuschelextrakt, Methylsulfanylmethan (MSM), Omega-3-Fettsäuren, S-Adenyl-Methionin (SAMe), nähren den Knorpel und haben entzündungshemmende Eigenschaften.

 

Was kann der Besitzer tun?

Wie wir nun gelernt haben, ist regelmäßige Bewegung für die Gelenke sehr wichtig. Bewegung ist Heilung! Herausfordernde sportliche Aktivitäten, wie z.B. Agility-Training sind jedoch tabu.

Gewichtsmanagement! Jedes Röllchen zuviel belastet um ein Vielfaches die Gelenke. Also bringen wir all unsere Liebe weniger in Form von Leckerchen und mehr in Form von Streicheleinheiten und aktiven Übungen zum Ausdruck.

Die häusliche Umgebung überprüfen: hat mein Hund die Möglichkeit, ohne Schwierigkeiten aufzustehen und zu laufen (rutschige Böden sollten vermieden werden)

Eine Rampe erleichtert das Ein- und Aussteigen aus dem PKW.

Sind die Gelenke morgens beim Aufstehen steif, hilft feuchte Wärme, z.B. mit einer heißen Rolle. Eine Anleitung zur heißen Rolle gibt es hier: 

 https://www.youtube.com/watch?v=UitRDbzjd-w 

Lieber mehrmals täglich kurze Spaziergänge (3-5 x einige Minuten) anstelle weniger langer Spaziergänge. Den Hund hierbei an der Leine führen und nicht freilaufen lassen. Die Spazierzeit langsam steigern.

Zeigt der Hund nach dem Spaziergang Schmerzen, sollte die Spazierzeit verkürzt und die betroffenen Gelenke gekühlt werden.

Angepasst an den individuellen Gesundheitszustand des Hundes und in Absprache mit dem Therapeuten können Übungen und Massagen zu Hause durchgeführt werden. 

*rekombinant: als rekombinant bezeichnet man Proteine, die künstlich mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen oder in Zellkulturen hergestellt werden (Quelle: DocCheck Flexikon). 


Fazit:

Die durch die Schulmedizin verschriebenen Medikamente bilden einen wichtigen Baustein bei der Behandlung der Osteoarthrose; sie wirken schmerzstillend und entzündungshemmend. Gleichwohl können sie, wie oben beschrieben, Nebenwirkungen hervorrufen. Der ganzheitliche Therapieansatz sollte immer medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungsformen berücksichtigen. Physiotherapie durch einen gut ausgebildeten Therapeuten, aber auch Übungen sowie Massagen durch den Besitzer (nach vorheriger Einweisung durch den Therapeuten) leisten einen wichtigen Beitrag zum Wohlbefinden des an Arthrose erkrankten Tieres. Sie können die medikamentöse Behandlung ergänzen oder bei frühzeitiger Diagnose sogar in manchen Fällen ersetzen. Also: bei Arthrosebefund frühzeitig einen Termin zur Physiotherapie vereinbaren!

Beispielbild (in diesem Falle einer Katze) mit  chronisch-degenerativen Veränderungen am Knie,  den Facettengelenken sowie Spondylosen in der Wirbelsäule.
Foto copyright: Melanie Binsfeld